Vorwort: Die Ausbreitung des Coronavirus in Europa hat noch einmal die Krise EU-Europas verdeutlicht. Nationale Entscheidungen, Abgrenzung und Abschottung statt europäischer Solidarität, vor allen auch mit den schwächeren Mitgliedsstaaten, bestimmen die Politik der Regierungen. Die EU wird reduziert auf eine Finanzierungsquelle der europäischen Großindustrie und der Banken. Das Europa des Europarates wird nicht einmal genannt.
Wir vermissen Visionen zum Frieden in Europa von den Azoren bis zum Ural und wie Europa in der Welt dem Frieden dienen kann.
Deshalb stellen wir Thesen zur Diskussion:
- Frieden auf dem europäischen Kontinent zu gestalten, heißt Entspannungspolitik neu zu entwickeln. Eine solche Politik nimmt die Interessen der anderen genauso ernst wie die eigenen und sucht dann nach Gemeinsamkeit. Ein solches Europa setzt auf Dialog, Verhandlungen und Kooperation und überwindet Militärbündnisse.
Europa ist ein friedliches Miteinander ohne Grenzen und Ausgrenzung, mit der Lust und dem Willen, Konflikte kooperativ und partnerschaftlich in Solidarität zu lösen und zu bewältigen.
Ziel sollte die Stärkung der OSZE und die Einsetzung einer neuen Olaf Palme Kommission (1) sein. Sie sollte eine aktive Entspannungspolitik entwickeln.
- Die EU-Außenpolitik stützt sich auf die Lehren aus zwei Weltkriegen und setzt auf Versöhnung und Zusammenarbeit. Sie basiert auf Völkerrecht und Menschenrechten. Die EU regelt ihre Konflikte gewaltfrei. Ihre Mittel sind Zivile Konfliktbearbeitung, Prävention, antikoloniale Unterstützung bei der Überwindung ungerechter Strukturen, gerechte und faire Handelsbeziehungen und Entwicklungszusammenarbeit.
- Die Europäische Union soll ein „Friedensprojekt“ und eine Zivilmacht in Europa werden, ohne eigenes Militär und eigenen Rüstungsetat, ohne ausländische Militärbasen in Europa und ohne eigene Militärbasen in der Welt. Die EU fördert zivile internationale Organisationen, besonders die Vereinten Nationen. Die EU kooperiert nicht mit der NATO, sondern unterstützt deren Auflösung. Zivile, gleichberechtigte, solidarische Partnerschaften mit großen und kleinen Ländern der Welt, Unterstützung bei Ziviler Konfliktbearbeitung, bei der Entwicklung einer Kultur des Friedens sowie eine feministische Außenpolitik(2) sind das Gesicht Europas zur Welt.
- Ein Europa des Friedens ist solidarisch mit allen Menschen, die wegen politischer Verfolgung, Krieg oder der Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen durch den Klimawandel und neoliberaler Wirtschaftspolitik fliehen müssen. Es bietet ihnen eine Zuflucht. Geflüchtete und Asylbewerber*innen erhalten die Hilfe und Unterstützung, die den humanistischen und völkerrechtlichen Prinzipien, denen Europa als Lehre seiner eigenen Geschichte verbunden ist, entspricht. Die EU übernimmt Verantwortung für die Situation an den EU-Außengrenzen. Sie schafft menschenwürdige Aufnahmebedingungen und die Voraussetzung für faire Asylverfahren. Europäische Regionen, Städte und Gemeinden sowie die Zivilgesellschaft sind in vielfältigen Bündnissen für diese Prinzipien aktiv.
- Abrüstung in Europa zugunsten einer sozialen Entwicklung, internationaler Gerechtigkeit und Klimarettung führt zu einem waffenarmen, entrüsteten Europa. 300 Milliarden Euro mehr für menschliche Sicherheit (Human Security) ist ein Gestaltungsrahmen für eine nachhaltige Politik in und aus Europa im Rahmen der Vereinten Nationen.
- Ein Europa ohne Atomwaffen, eine atomwaffenfreie Zone Europa ist ein aktiver europäischer Beitrag zur Vernichtung der Atomwaffen überall in der Welt. Von Europa gehen Ideen und Unterstützung für Konversion und Verifikation aus.
- Rüstungsexporte aus den Ländern Europas sind per Beschluss des EU-Parlaments und durch eine Konvention der OSZE generell untersagt. Die Rüstungsindustrie wird in einem europäischen Konversionsprojekt auf zivile nachhaltige Nutzung umgestellt.
- Kriegsdienstverweigerung ist ein allgemein akzeptiertes und gesetzlich verankertes Menschenrecht in allen europäischen Staaten.
Ziel ist eine europäische Kriegsdienstverweigererkonvention.
- Friedenserziehung, Friedensbildung und Friedenslehre bzw. -wissenschaft werden in allen europäischen Schulen und Universitäten gelernt. Erziehung zum gegenseitigen Verständnis und zur Versöhnung, zum Miteinander aller Nationalitäten, Religionen, Regionen und Geschlechter bestimmt das solidarische Zusammenleben in Vielfalt. Europa achtet religiöse, ethnische und andere Minderheiten.
- Wissenschaft und technologische Entwicklungen sind dem Frieden und der Nachhaltigkeit verpflichtet, Forschung und Lehre werden international gemeinsam gestaltet und demokratisch strukturiert.
- Ein Europa, das Frieden wagt, investiert in den Frieden mit der Natur und in die ökologische Gestaltung der Zukunft. Das Pariser Vertragsziel der 1,5 Grad Klimaveränderung ist eine Herausforderung für ein Transformationsprojekt Europa, das die industrielle Produktionsweise zugunsten eines sozialen und nachhaltigen Europas transformiert. Energie wird dezentral und weitgehend emissionsfrei erzeugt.
- Ein Europa, das Frieden wagt, überwindet das hemmungslose Profitstreben eines zerstörerischen Finanzkapitalismus und den Neoliberalismus zugunsten eines „Weltgemeinwohls“.
Dazu gehört auch eine neue gerechte Lastenverteilung innerhalb Europas.
- Ein Europa, das Frieden wagt, ist ein Europa der umfassenden gesellschaftlichen Demokratie und der Partizipation, der Anerkennung der bürgerlichen und sozialen Menschenrechte. Ein Europa, das Frieden wagt, ist ein Prozess, den mündige Bürger*innen in Solidarität und gemeinsamem Handeln gestalten. Ein Europa der Demokratie beinhaltet Partizipation, Subsidiarität und Demokratie „von unten“. Soziale Bewegungen und ihre Netzwerke sind aktive Mitgestalter der Herausforderungen, die vor einem emanzipierten Europa in der Welt stehen.
Fazit: Das Europa, das wir anstreben, werden wir als Friedensbewegung nur gemeinsam mit vielen anderen Menschen in sozialen Bewegungen, Gewerkschaften, Kirchen und Parteien erreichen können.
Appendix:
- Die Palme-Kommission war eine unabhängige internationale blockübergreifende Kommission für Abrüstung und Gemeinsame Sicherheit. Sie arbeitete von 1980 bis 1982 unter dem schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme. Sie skizzierte in ihren Bericht an die UN- Abrüstungskonferenz Grundzüge für eine internationale Entspannungspolitik und für weltweite Abrüstung.
- Feministische Außenpolitik hat zum Ziel, die Rechte von Mädchen, Frauen und marginalisierten Gruppen zu stärken. In Schweden, dessen offizielle Außenpolitik sich als feministisch versteht (ist aber gesellschaftlich kontrovers), wird hierzu der Fokus auf drei Bereiche gelegt -: Repräsentation von Mädchen und Frauen in der Außenpolitik, Rechte von Frauen und Mädchen weltweit und Bereitstellung von Ressourcen für Frauen und ihr Engagement.
Version vom 04.04.2020